KARLSTADT
Jürgen Wüst und Band begeisterten mit ihrem Konzert im Pfarrgarten
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Jürgen Wüst, Keyboarder, Poet und Produzent, gab sich in Karlstadt die Ehre. […]
Aha-Erlebnis
Die präsentierten Songs sind vorwiegend Eigengewächse mit deutschen Texten, auf den ersten Blick voller Poesie des Alltags, auf den zweiten allerdings voller „Realsymbolik“, in der sich der Zuhörer schnell wiederfindet und die auch außerhalb des Textes Wiedererkennungswert hat.„Das hab ich doch auch schon so erlebt!“ oder „Das kenn ich doch!“ denkt sich so mancher im Konzertpublikum. Die Texte sind weder einfach noch banal, sondern voller Hintersinn, denn Wüst schlägt mühelos den Bogen von der Tücke des Alltags hin zu den großen Gefühlen.
Schon seit den Jahren, in denen man noch Mut brauchte, zu Rockmusik deutsche Texte zu singen, hat sich der Aschaffenburger einen Namen gemacht. Er tut dies wohltuend ungekünstelt. Sein Lied „Steh‘ dir nicht im Weg, versuch du selbst zu sein“ scheint auch die innere Haltung zu offenbaren, die in seinen Konzerten zum Ausdruck kommt. Seine Liebeslieder enthüllen ebenfalls eine Sensibilität, die auch an der emotionalen Hingabe an die Musik und an das Publikum ablesbar ist.
Themen-Collage
Auch Satirisches kommt bei ihm nicht zu kurz, weder in seinen verschmitzten Anmoderationen noch in so manchen Songs. In „Sie schläft nur, wenn das Fernsehen läuft“ berichtet er vom süßen Leben einer Frau, die alle großen Fernsehereignisse verschläft und von all den positiven Folgen, die das für sie hat. Auch musikalisch greift er nach dem Thema; in einer Collage, die folgt, zitiert er Versatzstücke aus „Stahlnetz“ und „Mission impossible“. Auch Drafi Deutscher parodiert die Band, mit großem Vergnügen auf der Bühne und im Publikum, Marmorstein und Eisen in Moll, verfremdet durch jazzige Harmonik. […]
Höhes Können am Instrument
Nach der Pause bieten die Stücke mehr Raum für Improvisationen, keine Liebeslieder mehr wie „Gib mir Raum in deinem Traum“, sondern eher Krisenbewältigungssongs der anderen Art wie „Viel mehr Geld“ (Schein oder Nicht-Schein, das ist hier die Frage!). Jetzt zeigen sie der Reihe nach, was sie musikalisch wirklich drauf haben. Thomas Dill beherrscht so ziemlich alles auf der Gitarre, der Bassist spielt warm und einfühlsam, der Schlagzeuger ausgeglichen und akzentuiert und Wüst führt alles vor, was so ein Keyboarder alles kann, vom Hammond-B3-Click-Sound über „talk-box“ zu „Synthesizer-loops.“ Ein eher, wie es anfänglich schien, auf Klassik eingestelltes Publikum fängt an sich zu bewegen und körperlich mitzugehen. […]
[MAIN-POST, Rainer Hain, 10.7.2011]